MICHAEL ERNST
 
KUNST AM BAU



LIBORIUSKAPELLE CREUZBURG/ WERRA





ENTWICKLUNG DER GESTALTUNGSIDEE FÜR DIE INNENEINRICHTUNG DER LIBORIUSKAPELLE  2012/13


Als mich im Februar 2012 die Kirchgemeinde Creuzburg zu dem Gestaltungswettbewerb für die Neugestaltung der Prinzipalien in der Liboriuskapelle einlud, begann für mich eine Zeit der intensiven Auseinandersetzung mit dem Baustil der Spätgotik.
Als freischaffender Künstler mit dem Schwerpunkt kinetische Skulptur und Metallplastik setze ich mich üblicherweise mit Räumen und verschiedenen Raumsituationen auseinander.
Obwohl ich schon häufig einzelne Prinzipalien/Einrichtungsgegenstände für sakrale Räume entworfen und hergestellt habe ergab sich hier die Möglichkeit ein  gestalterisches Gesamtkonzept für einen Kirchenraum zu entwickeln.
Bei der Aufgabenstellung für die Inneneinrichtung der Liboriuskapelle rückten für mich ganz neue Aspekte einer räumlichen Situation in den Fokus.
Menschen die einen Kirchenraum betreten werden unbewusst auch durch die Gestaltung des Raumes in ihrem Glaubensbewusstsein geprägt.
Farbgebung, Licht und Atmosphäre beeinflussen Gemüht und Stimmung der Kirchenbesucher.
Dieser psychologische Effekt war den Kirchenbaumeistern und Künstlern immer bewusst.
Deshalb hat man als Gestalter eines sakralen Raumes, auch heute noch eine besondere Verantwortung.
Betritt man die Liboriuskapelle bleibt das Auge an den kunstvollen Ausmahlungen aus dem 16.Jh. hängen
Um die Gesamtkomposition des Raumes und die einmalige Atmosphäre dieser Kapelle nicht zu zerstören und es den Menschen zu erlauben
mit diesem Gebäude und seiner Botschaft in einen Dialog zu treten, war es mir besonders wichtig, hier die wirklich „passende“ Gestaltungsidee zu finden.
Prinzipalien, die durch ihre schlichte Klarheit in Kontrast zur Ausschmückung der Kirche stehen und die Konzentration auf das Wesentliche zulassen. Prinzipalien, die sich mit ihrem Material harmonisch in die denkmalgeschützte Kirche einfügen: kein moderner Edelstahl
oder kalter Beton.
Die Kunstwerke im Kirchenraum sind polare Systeme. Die einzelnen Elemente sind klar voneinander getrennt, können aber nicht unabhängig für sich stehen. Das Werk als Ganzes ist ein Compositum.
Der sakrale Raum in Architektur und Kunst muss ein forderndes, förderndes und sinnbezogenes, nie angepasstes Abbild von Leben sein.
Die aufstrebende in Bögen und Kreuzrippengewölbe endende Architektur eines Spätgotischen Kirchenraumes verlangt, meiner Meinung nach, auch in der Akzentuierung der Innenraumdetails wie z.B. den Prinzipalien eben diese Gestaltungsmerkmale.
Um trotzdem einen künstlerischen Kontrapunkt zu setzen habe ich mich bei meinem Entwurfskonzept zwar für ein aufstrebendes aber sehr kantiges Design entschieden.
Auf Grund der relativ kleinen Grundfläche der Kapelle (11 x 7 Meter) und einer Raumhöhe von ca. 9 Meter war für mich von Anfang an klar dass die Objekte filigran und aufstrebend sein müssen um sich zurückzunehmen und den Raum nicht zu dominieren. Außerdem mussten sie sich in Materialität und Farbigkeit dem Raum und im Besonderen der historischen Ausmahlung aus dem frühen 16.Jh. unterordnen.
Aus diesen Gründen habe ich mich für eine Materialkombination aus angerosteten Stahl und weißpigmentierten Eichenholz entschieden.
Diese Farbnuancen finden sich auch in der Ausmahlung der Liboriuskapelle wieder.
Zur Darstellung meiner Idee fertigte ich neben Skizzen und Materialproben Modelle der Einrichtungsgegenstände im Maßstab 1:10 an.
Außerdem lies ich eine Computergestützte Visualisierung der räumlichen Gesamtsituation mit den Eingefügten Prinzipalien und Bänken erstellen.
Das Entwurfskonzept beinhaltete folgende Einrichtungsgegenstände:
- Altar (Tisch des Brotes)
- Ambo (Tisch des Wortes)
- Kreuz für die historische Christusfigur
- Taufstein/ständer
- Opferstock
- Altarleuchter
- Kirchenbänke ( 10 Stück)
Eine besondere Herausforderung stellte die Neuanfertigung des Kreuzes für die historische Christusfigur ( um 1500 ) dar.
Bisher war der Corpus auf einem massiven Kreuz aus Eichenbohlen montiert und an der Rückseite des Altars befestigt.
Hier musste eine zeitgemäße und filigrane Lösung gefunden werden.
Bezugnemend auf die dahinterliegenden Fenster in ihrer schlichten geometrischen Gitterteilung entwickelte ich hier die Idee eines hängenden Rahmenkreuzes,
also einer Kreuzvariante bei der die Balken nur durch eine umlaufende Linie gebildet werden.
Die somit gewonnene Betonung der parralel laufenden senkrechten und waagerechten Linien fügt sich perfekt in das Raster der dahinterliegenden Fenster ein und die Christusfigur kommt zur ihrer angemessenen Wirkung.
Michael Ernst / 2014